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26.04.2024

Selbst die dritte Zugabe kann den Applaus nicht beenden: Polina Osetinskaya belebt Bach aufs Neue

Fotos © Shigeru Kawai Europa
Ein bisschen wie Pop-Musik, so würdigen einige Barock-Fans ihre Lieblingsgattung. Das war am heutigen Tag auch deutlich zu spüren, Frau Osetinskaya holte aus den Tasten des wunderbar klangschönen Flügels von Shigeru Kawai stets einen flockig-barocken Drive und brachte das Publikum an die Grenzen des Mitwippens. Die luftige Leichtigkeit der Melodik ließ sie dennoch keinesfalls auf der Stecke liegen, musikalisch lag immer eine frische Frühlingsstimmung in der Luft. Die Perfekte Musik zum Runterkommen und Aufheitern nach einem stressigen Arbeitstag…

Mit einem kurzen Zeichen an Publikum und Orchester stimmte die Pianistin auf das d-Moll Konzert BWV 1052 ein, wo sie nochmal ordentlich Dampf gab und das Publikum so richtig mitnahm. Wie ein musikalischer Vergnügungszug, der an einem sonnigen Sonntag freudig über eine grüne Wiese saust. Sie weiß das Instrument ganz und gar für sich zu beherrschen und die luftig-spaßige Energie dieser Musik auch aus dem zu Bachs Zeiten noch in weiter Ferne liegenden Flügel rauszuholen.
Fotos © Shigeru Kawai Europa
Ach ja, drei Zugaben spielte sie auch noch. Das habe ich bislang nur bei Martha Argerich gesehen, die – übrigens auch in diesem traditionsreichen, in der Hansestadt mittlerweile leider an zweiter Stelle stehenden Konzertsaal – nach Beethovens 1. Klavierkonzert mal eben schnell das Prokofiev-Precipitato raus haute. Quasi noch ein Extra-Konzert nach dem Hauptprogramm. Die stürmischen und lautstarken Brava-Rufe wollten auch heute nach der dritten Zugabe nicht enden. Naja, auf ewig kann dieses Musikglück leider nicht weiter gehen…

Nach der Pause gab es dann noch die Streicherserenade von Tschaikowsky. Ein wunderbares, passioniertes Werk für sich, dessen Kräfte das Kammerorchester der Neuen Philharmonie Hamburg auch in der Laeiszhalle zum Strahlen und Schwingen brachte.
Fotos © Shigeru Kawai Europa
Die MusikerInnen unter Leitung von Konzertmeister Tigran Mikaelyan ließen mit einer ganz wunderbar klaren Darbietung der altbekannten Bach-Orchesterarie nochmal den ganzen Klangzauber ihrer Instrumente aufblühen. So bringt man auch mal diesen fast schon überspielten Zugaben-Schlager mal richtig zum Strahlen!

Die Krone des Abends ging also an die Bach’sche Musik… und Polina Osetinskayas federleicht spaßigen Klavierzauber.
So viel Barock-Begeisterung gab es in Hamburg schon lange nicht mehr zu hören!


Johannes Karl Fischer, 25. April 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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